Proteinversorgung von Legehennen - Teil II
Der Versuch, bei dem Sojaextraktionsschrot (SES) teilweise oder ganz durch heimische Eiweißfuttermittel ersetzt wurde, fand mit 660 LB-classic- und 660 LSL-classic-Legehennen am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum (LVFZ) in Kitzingen statt. Konzipiert wurden vier Futtermischungen, die über ein Legejahr gefüttert wurden.
Die getesteten Futtermischungen waren isoenergetisch und isonitrogen und wiesen die gleichen Gehalte an Mineral- und Zusatzstoffen auf. Die Rationen unterschieden sich im Wesentlichen im Anteil an SES:
- Kontrolle: SES stellt 85 % der Proteinfuttermittel dar.
- Versuchsgruppe 1 (V1): SES stellte 47 % der Proteinfuttermittel dar. Weitere Proteinträger waren Sonnenblumenschrot (SBS) und Rapsprodukte.
- Die Futter für V2 (SBS-betont) und V3 (rapsbetont) enthielten kein SES (Tabelle 2 in Teil I).
Bei V2 und V3 handelte es sich um Extremmischungen, die einerseits dazu dienten, die zu erwartenden Konsequenzen eines
völligen Verzichts auf Sojaextraktionsschrot im Futter auszuloten und gleichzeitig die maximal möglichen Einsatzraten der genannten Rohwaren auszutesten.
Informationen zum Versuchsaufbau und die Ergebnisse der Futterstrukturanalyse, der Legeleistung und der Eiqualität finden Sie im ersten Teil dieser Studie.
Die Erhebung der Tierwohlkriterien bei den nicht schnabelgekürzten Hennen fand in der 68. Lebenswoche (LW) statt. Dabei wurden alle zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Hennen aus drei zufällig ausgewählten Abteilen je Versuchsvariante bonitiert. Neben der Bonitur der Gefiederschäden am Hals, am Rücken und am Legebauch, der Verletzungen der Haut und der Zehen sowie der Fußballengesundheit wurden auch die Einzeltiergewichte erfasst. Das Boniturschema (0 = keine Gefiederschäden bzw. Hautverletzungen, 1 = leichte Gefiederschäden bzw. Hautverletzungen, 2 = starke Gefiederschäden bzw. Verletzungen, verändert nach Dr. C. Keppler) zielt auf Körperregionen ab, die Aufschluss über Verhaltensstörungen wie Federpicken und Kannibalismus sowie auf tiergesundheitliche Risiken geben.
Unterschiede beim Befiederungszustand waren deutlich
Während sich bei der Gesamtwertung des Gefiederzustands (Mittel aus allen bonitierten Körperregionen, Tabelle 2) keine signifikanten Unterschiede zwischen den zwei Genetiken zeigten, ergaben sich bei der Betrachtung der einzelnen Körperregionen deutliche Differenzen. Die LSL-Hennen wiesen im Hals- und Rückengefieder einen stärkeren Federverlust auf als die LB-Tiere. Der Legebauch war dagegen bei den LB-Hennen erheblich schlechter befiedert als bei den
LSL-Hennen. Obwohl ein Großteil der Hennen (93 bis 79 %) auch in der 68. LW keine oder nur leichte Gefiederschäden aufwies (Bonitur 0 oder 1), hatten die Futtermischungen einen signifikanten Einfluss auf die Befiederung. Mit dem Kontrollfutter versorgte LSL- und LB-Hennen zeigten signifikant seltener Gefiederschäden als die Tiere der drei Versuchsgruppen.
In den Kontrollgruppen zeigten nur 7 % der LB- bzw. 8 % der LSL-Hennen federlose Stellen über 5 cm Durchmesser, die dann in der Regel auch nicht durch benachbarte Federn abgedeckt wurden. Bei den LB-Hennen nahmen V3 und V2 eine mittlere Stellung ein. Der mit deutlichem Abstand stärkste Federverlust (Mittelwert: 1,01) stellte sich bei den Braunlegern aus V1 ein. Diese vergleichsweise hohen Gefiederverluste beziehen sich vor allem auf den Rücken. Die Ursachen für die starken Gefiederschäden bei V1/LB können nicht anhand der Versuchsdaten erklärt werden. Es wäre sinnvoll, dieses unerwartete Ergebnis in weiteren Untersuchungen zu ergründen.
Ein abweichendes Bild ergab die Bonitur der LSL-Hennen. Den Hennen in der Kontrollgruppe mit dem signifikant geringsten Gefiederverlust folgten die Gruppen V2 und V1. Das bei den LB-Hennen hinsichtlich Befiederung an zweiter Stelle platzierte V3-Futter erbrachte bei den LSL-Hennen den stärksten Federverlust.
Federpicken nicht auf verschiedene Rohfasergehalte zurückzuführen
Grundsätzlich wirken sich Nährstoffimbalancen, d. h. eine vom Bedarf der Hennen abweichende Nährstoffversorgung, nachteilig auf die Leistung und die Tiergesundheit aus. Außerdem erhöhen sie das Risiko für das Auftreten von Federpicken. Der im Vergleich zu SES höhere Rohfasergehalt von RES und SBS erhöhte den Rohfaseranteil in den Versuchsmischungen, der in Phase 1 bei 2,8 % (Kontrolle), 3,8 % (V1), 5,8 % (V2) und 4,8 % (V3) lag. Ein konkreter Zusammenhang zwischen Rohfasergehalt der Rezepturen und dem Gefiederzustand konnte in diesem Versuch jedoch nicht hergestellt werden, sondern es ist
davon auszugehen, dass die unterschiedlichen Komponentenanteile in den Versuchsmischungen einen größeren Einfluss auf das Gefieder hatten als der Rohfasergehalt als einzelner Faktor. Dementsprechend erscheint eine ausschließliche Fokussierung auf den Rohfasergehalt nicht unbedingt zielführend, wenn das Auftreten von Verhaltensstörungen vermieden werden soll.
Hennen der sojabetonten Kontrollgruppe zeigten über das gesamte Legejahr und insbesondere zu Produktionsbeginn (21. bis 24. LW) die höchste Futteraufnahme je Tier und Tag. Damit einher ging auch eine im Vergleich zu den anderen Futtergruppen höhere Energie- und Nährstoffaufnahme, die das Risiko von Defiziten in der Versorgung und Federpicken als mögliche Folge reduzierte.
Futteraufnahme spielt eine wichtige Rolle
Speziell zu Legebeginn ist das Futteraufnahmevermögen der Hennen noch nicht ausgereift, aber der Nährstoffbedarf ist aufgrund des Körperwachstums und der steigenden Eimasseproduktion bereits sehr hoch. Beim Einsatz von hohen Anteilen an Raps- und Sonnenblumenprodukten bereits zu Beginn der Legeperiode erscheint die regelmäßige Kontrolle der Futteraufnahme wichtig zu sein.
Die Auswertung der Hautbonitur ließ weder für die Genetik noch für die Futtervariante einen signifikanten Einfluss erkennen. Zwischen 0,0 und 2,2 % der Hennen zeigten starke (Pick-)Verletzungen ≥ 1,0 cm. Mit dem Kontrollfutter versorgte Hennen beider Genetiken waren zu 90 % ohne und zu 10 % mit leichten Verletzungen versehen und hatten damit nicht nur das signifikant beste Gefieder, sondern tendenziell auch die wenigsten Pickverletzungen der Haut. Zugleich wurden bei den LB-Hennen in V1 sowie bei den LSL in V3 neben den größten federlosen Hautpartien auch die stärksten Pickverletzungen auf der Haut festgestellt. Einmal mehr wurde damit offensichtlich, dass durch Federpicken federlos gewordene Hautpartien – besonders bei schnabelunkupierten Hennen – ein beschädigendes Picken fördern. Pickverletzungen wurden vorrangig in der Bürzel- und Kloakenregion festgestellt, wo sie häufig eine Eintrittspforte für coliforme Keime bilden.
Eiweißquelle beeinflusst Lebergesundheit
Aus der Leberbonitur ergeben sich Hinweise auf die Lebergesundheit, vor allem auf das Fettlebersyndrom. Die im Test befindlichen Futtermischungen zeigten bei Weiß- und Braunlegern einen signifikanten Einfluss auf das Auftreten von Leberveränderungen. Für beide Genetiken ergab sich dabei folgende Abfolge mit abnehmender Lebergesundheit: Kontrolle > V3 ≥ V1 > V2. Demnach erbrachten 16 % SBS-Anteil erhebliche Nachteile für die Lebergesundheit: 84 % der LB- und 72 % der LSL-Hennen wiesen bei dieser Rezeptur am Ende der Legeperiode leichte oder starke Farb- und Konsistenzveränderungen der
Leber auf. Bei einer partiellen Substitution von SES durch geringere Anteile (je ≤ 5 %) RES, Rapskuchen und SBS (V1) ist die Leberverfettung deutlich geringer.
Fußballengesundheit: Braunlegergruppen im Vorteil
Als eine mögliche Ursache für das Auftreten von Fußballengeschwüren wird auch bei Legehennen die Fütterung angesehen, und zwar schwerpunktmäßig die Beeinflussung der Einstreufeuchte infolge einer fütterungsbedingten Veränderung der Kotkonsistenz (= feuchter Kot). Die getesteten Futtermischungen
erbrachten bei beiden Genetiken keinen signifikanten Einfluss auf den in der 68. LW bonitierten Fußballenzustand. Tendenziell im Vorteil lagen sowohl
V1 LSL als auch V1 LB.
Allerdings bestehen hochsignifikante Unterschiede im Auftreten von Fußballenveränderungen zwischen den beiden Genetiken. So steht die sehr gute Fußballengesundheit der LB-Hennen – 56,1 % unveränderte, 43,1 % leicht und nur 0,9 % stark veränderte Fußballen – einem erheblich schlechteren Ballenzustand der LSL-Hennen gegenüber. Diese wiesen nur zu 13,3 % eine völlig intakte Fußballenhaut auf. Knapp drei Viertel der LSL-Hennen hatten Fußballengeschwüre, oft mit einer leichter Schwellung, die aber bei einer Betrachtung von der Zehenoberseite aus nicht sichtbar war. Fußballengeschwüre mit starker Schwellung waren bei 12,1 % der LSL-Hennen festzustellen.
Zehenbonitur: Braunleger schnitten besser ab
Analog zum Fußballenzustand bestehen auch in der Häufigkeit von Zehenverletzungen hoch signifikante Unterschiede zwischen den Genetiken – wiederum zugunsten der Braunleger. 9,6 % der LSL-Hennen besaßen starke Zehenverletzungen mit größeren Wunden und teils fehlenden Zehengliedern.
Damit ist der Anteil an Hennen mit schweren Zehenschäden um 9 Prozentpunkte höher als bei den LB, die zu 97,7 % keinerlei Veränderungen an den Zehen aufwiesen. Dieses Ergebnis weist auf eine im Vergleich zu den Braunlegern höhere genetische Disposition der im Test befindlichen Weißleger hinsichtlich Zehenpicken hin, wie sie auch von anderen Autoren beschrieben wird. Legehennenhalter sollten deshalb vor allem bei Weißlegern (mit intaktem Schnabel!) deren
Zehen im Auge behalten und bereits bei kleineren Verletzungen sofort reagieren, um durch das Abstellen möglicher Ursachen und die Reduktion vorhandener
Risikofaktoren schwerwiegenden Schäden vorbeugen zu können. Die Unterschiede zwischen den Futtervarianten beim Merkmal Zehenzustand der LB-Tiere sind nur gering und nicht signifikant. Tendenziell am höchsten waren die Schäden bei V2 (2,3 % starke Veränderungen). Weitaus ausgeprägter sind die Differenzen
im Zehenzustand zwischen den Futterrezepturen bei den LSL-Hennen. Die V2-Tiere zeigten hochsignifikant häufiger Schäden als die drei anderen Varianten.
19,0 % der Hennen in dieser Gruppe hatten große Wunden oder es fehlten Zehenglieder. Dagegen bewegte sich der Anteil starker Veränderungen in den
anderen Gruppen zwischen 5,8 % und 8,3 %, wobei die Anteile völlig intakter Zehen zwischen 85,7 % und 93,0 % lag. Am seltensten traten Zehenverletzungen
in der Kontrollgruppe auf. Im Hinblick auf die genetische Disposition für Zehenpicken ist der Einsatz hoher Sonnenblumenschrotanteile insbesondere
bei Weißlegern kritisch zu betrachten. Die genaue Ursache für das gehäufte Zehenpicken in V2 bei den LSL-Hennen konnte nicht geklärt werden. Einem generell
erhöhten Risiko für Federpicken und Kannibalismus durch hohe SBS-Anteile in der Ration widersprechen die Ergebnisse für Gefieder und Hautverletzungen.
Schlachtkörpergewicht durchgehend unter Soll
Die an 25 Hennen je Futtervariante und Genetik durchgeführte Schlachtkörperanalyse einschließlich einer Leberbonitur zeigte mit Ausnahme des Lebergewichts der LSL-Hennen und der Leberbeschaffenheit beider Genetiken keinen signifikanten Einfluss der Futterrezepturen auf die Kriterien Schlachtkörpergwicht, Ausschlachtung und Abdominalfett. Mit 1 797 bis 1 845 g (LB) und 1 640 bis 1 689 g (LSL) lag das durchschnittliche Hennengewicht
deutlich unter den Sollwerten der Lohmann Tierzucht (2 025 bzw. 1 780 g). Nur geringe Unterschiede von 48 bzw. 49 g bestanden dabei aber zwischen den Futterrezepturen. Die Ausschlachtung unterschied sich zwischen den Futtergruppen um maximal 1 Prozentpunkt.
Futterkostenüberschuss: Weißleger deutlich besser
Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Eiererzeugung mit unterschiedlichen Futtermischungen wurde der Futterkostenüberschuss berechnet. Die Futterkosten wurden anhand der Durchschnittspreise über das Legejahr kalkuliert und mit dem Futterverbrauch multipliziert. Bei den Eierpreisen wurden vier verschiedene Vermarktungswege – Direktvermarktung, Regionale Notierung Bayern, Weser-Ems-Notierung und Kilopreis der Eiproduktenindustrie – unterstellt, um auch die an die Eiproduktenindustrie abgegebenen Eier beim Erlös berücksichtigen zu können.
Durch den Ersatz von Non-GMO-HP-Soja aus Übersee – ca. 80 bis100 Euro/t teurer als importiertes GMO-SES – durch heimische Eiweißfuttermittel wie RES, Rapskuchen, SBS, Erbsen, Maiskleber und getrocknete Weizenschlempe waren die Versuchsmischungen im Versuchszeitraum 1,00 Euro/dt (V1), 1,31 Euro/dt (V2) und 1,55 Euro/dt (V3) günstiger als das Kontrollfutter. Unabhängig von Eiererlös und Notierung waren die Weißleger den Braunlegern in allen Versuchsmischungen im Futterkostenüberschuss um 0,81 bis 6,46 Euro/Anfangshenne und Jahr überlegen (Tabelle 3 auf Seite 19).
Bei den LB-Hennen waren die Versuchsmischungen in allen vier Vermarktungswegen wirtschaftlicher als die Kontrolle. Den höchsten Futterkostenüberschuss erzielte die rapsbetonte Variante (V3), gefolgt von V1 und V2. Das bedeutet: Die etwas geringere Legeleistung/Anfangshenne der Kontrollgruppe konnte auch unter Berücksichtigung der höheren Anteile gut bezahlter L- und XL-Eiern nicht kompensiert werden. Zu beachten ist dabei aber, dass in den Berechnungen
von Non-GMO-Überseesoja ausgegangen wurde. Würde allein im Kontrollfutter dieses SES durch das günstigere GMOSES ersetzt, würde sich – ausgehend von
gleichen Leistungen – die Reihenfolge bei der ökonomischen Bewertung umkehren. Bei den Weißlegern konnte V1 bei allen unterstellten Notierungen den höchsten Futterkostenüberschuss erzielen, gefolgt von der Kontrolle, V3 und V2.